Ich wünschte es wäre überall so wie hier

Ein gedanklicher Nachfolgetext zu 470 Euro (warm)


Dein Körper verändert sich viel mehr als meiner. Wir teilen meine Klamotten, und manchmal sehe ich an Saum und Faden, wie sehr du in mich hineinwächst.

(schläfrig und unter-decken, du vorm spiegel daneben, drehend windend strahlend in sommer-morgen-farben)

 

Mit jedem neuen Kleidungsstück gucken die Leute mehr, weil sie außer dir niemanden kennen, der so ist wie du. Um nicht aufzufallen beim Unter-sie-Mischen, gibt es in meinem Kindheits-Dorf nicht genug Menschen.

Das hast du viel früher gemerkt als ich; während ich noch versucht habe, mich unauffällig über den Monatsmarkt zu schleichen, bist du stehen geblieben, um allen Fragen zu beantworten, die es zu dir geben könnte.

(beim hände-halten-heim-laufen gabst du mir kindlich glucksend die antworten von vorn)

 

Alte Leute lieben junge Menschen wie dich. Keine (geglaubte) Sünde der Welt könntest du begehen, dass sie dich nicht mehr zum Grillen und Kartenspielen einladen. Mich vergleichen sie mit meinen Eltern, und dich knüpfen sie nur an dich an dich an dich (und deine Worte).

(ich mag deine worte so, wie ich geborenwerden mögen würde im schrei zwischen hand und brust und mund)

 

Du gibst uns ein langsames Leben in der halbleeren Landschaft; am Sportplatz plärren die Väter leiser vor dir (weil ihr danach unterm Langnese-Eis-Schirm trinkt), und du ziehst mich mit zu den Freund:innen meiner Mutter, die mich schon gehalten haben, bevor ich mich dagegen wehren konnte (auch jetzt tu’ ich nichts gegen die Finger in meinen Wangen, ich klitzekleine Lufttapete) – ich will ihnen nicht postum versehentlich meine Mutter vermiesen.

(ist das zu heavy?)

 

Wie machst du das (wir bestehen doch aus dem gleichen Kopf)?

Wenn ich mich mit den Fingerspitzen tief in deine Wirbelsäule grabe, bin ich dann du?

(oder bleibt da nur noch mehr ich?)

 

Da wächst ein (gar nicht) neuer Mensch an dir, man sieht es an den Nähten deiner Achseln, wenn du Sonntagmorgen das Hemd deines Vaters überziehst.

(du wächst aus dir hinaus, deine gefühle und gedanken wachsen wie ranken aus deinen rippenknochen und gedeihen zu fleisch).

 

Blumige Tage, ich fühle deine Hormone wie Pollen durch die Luft schwirren.

(ich wünschte es wäre überall so wie hier)

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