Ausgewählte Gedichte
Es gibt so viele Zeiten
In denen man verliebt ist
Oder in denen man liest, einem der Kopf
Jeden Tag woanders steht
Tage, an denen man alles durch die Augen der
Dialektik sieht
Oder Stunden, in denen die Geschlechter
Wie unglaubliche Geheimnisse erscheinen
Und die jungen Männer sich mit den jungen
Frauen unterhalten
Und alles zuviel ist
Und Tage, an denen alles zu wenig ist
Und du dich fragst, ob es am Licht liegt
Oder ob das Licht am Tag liegt
Oder an dir
„Auf jeden Fall –„ sagte er mit schiefem Kopf
„wirds nicht langweilig“
Habe ich Grund genug mich zu beschweren?
genug Grund, der mich hält,
während ich Ziegelsteine von innerer
Zerrissenheit
auf meinen Rücken lege und meine Beine spreize
um das Gleichgewicht nicht zu verlieren
Es drehen sich die Perspektiven in mir wie Russisches Roulette
Und ich fühle mich wie das Naturwissenschaftsprojekt eines Viertklässlers, der Öl mit Wasser vermischt und erwartet, dass es eine Einheit ergibt
Es ist okay, Angst zu haben
Es ist okay, Angst vor der Angst zu haben
Hab keine Angst vor der Angst
Angst
Haben
Es ist okay, sich nicht mit der Angst zu identifizieren
Es ist okay, sich zu schämen
Und sich zu rechtfertigen
Es ist nicht okay,
Es ist okay, es nicht okay zu finden, dass alles okay sein soll
Denn irgendwo muss man doch eine Grenze ziehen!
Ist die Intuition immer gut?
Ist Angst immer schädlich?
Ist Angst schlecht, wenn sie schädlich ist?
Gibt es das Schlechte?
Hat meine Mutter Angst, wenn ich nicht ich selbst bin?
Ich balanciere auf der Linie des Bereuens wie eine Balletttänzerin
Denn man kann ja kein Asket der Wünsche werden
Und zu versuchen die Hoffnung aufzugeben ist ein hoffnungsloses Unterfangen
Und gleichzeitig führen viele meiner Wege führen an Rom vorbei
Also tänzele ich auf der schmalen Linie und hoffe und hoffe
Ich denke nicht, dass sie lügt
Sie ist tatsächlich organisiert
Sie wacht auf und kann sich folgen
Und kann sich zwingen, mit Erfolgen
Glücklich zu sein
Sie fühlt sich immer einigermaßen gut
Und als Teil dieser Welt
Als Kind erwachsen zu sein stört niemanden, aber als Erwachsene Kind zu sein wird nicht gern gesehen
und es ist gefährlich
und da in mir irgendwo immer eine Erwachsene herumspukt,
findet diese Kein-Kind-Politik der Erwachsenenwelt in mir immer eine Ansprechpartnerin,
eine freundliche Beraterin,
eine professionelle Ordnerin,
eine breitbrustige Security-Frau,
eine alle Gefühle verdrängende Spezies, die stolz ihre Federn zeigt
Er las sich in alle möglichen Themen ein, für den Fall, dass er „in eine Meinungsverschiedenheit“ geräte, während ich zu viel Angst hatte, mich selbst dem schwächsten System von Ideen und ihren Tendenzen, entweder in Nihilismus oder Glaube zu enden, zu verschreiben, und ich kannte nur den Anblick der Berge und der Straße, wie sie vor mir lagen, und ich mochte nur das einfachste Essen und die einfachsten Tage.
Diese Wortfelsen liegen mir schwer im Magen und drücken auf meinen Unterbauch, müssen in schweren Geburten ausgeschieden werden, sonst werden sie feucht und schimmeln und faulen in meinem Innern. Und das siehst du in meinem Gesicht – verfaulte Stellen alter Ideen, die die Wörter nicht fanden, die die Grenzen meines Körpers nicht passieren konnten
Julia schreibt Gedichte, Fragmente und Aphorismen über Wörter aus der Reihe, saubere Wohnungen, rote Waldabschnitte und Einsamkeit. Sie schreibt über das Alltägliche und das Besondere, über das Zuviel und das Zuwenig, über sich selbst und die Anderen.